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Streng genommen nicht das höchste christliche Fest (das wäre Ostern), aber für die meisten Menschen heute der wichtigste und am größten gefeierte Festtag des Jahres.
Weihnachten, wie die meisten Menschen es heute feiern, hat kaum noch etwas mit einem christlichen Gedenkfest zur Geburt Jesu Christi zu tun, sondern ist vor allem ein Fest der Nächstenliebe und der Gemeinschaft inmitten der dunklen und kalten Jahreszeit.
Und wenn man nach dem geht, was jedes Jahr um diese Zeit im Internet und anderswo vielerorts zu lesen ist, handelt es sich dabei nur um eine Entwicklung zurück zu den Wurzeln des Weihnachtsfestes:
Ursprünglich sei dieses nämlich ein vorchristliches Fest gewesen, dass die frühen Christen nur für sich übernommen und christlich umgedeutet hätten, um den Heiden den Übertritt zum Christentum einfacher zu machen und gleichzeitig alles, was an den alten Glauben erinnerte und was nicht komplett ausgelöscht und unterdrückt werden konnte, christlich zu überpinseln und so die vorchristliche Identität der Menschen zu begraben.
Ähnliche Behauptungen werden auch zu anderen populären Festen immer wieder verbreitet, etwa zu Ostern, bei dem es sich angeblich um das germanische Frühlingsfest der Göttin Ostara handeln soll, oder Halloween/Allerheiligen, das angeblich eigentlich das keltische Totenfest Samhain sei.
Bei Weihnachten sind es gleich mehrere Feste verschiedener vorchristlicher Religionen, die als „wahrer“ Ursprung des Weihnachtsfestes genannt werden:
Ursprünglich sei es das römische Fest zum Geburtstag des Unbesiegbaren Sonnengottes Sol Invictus gewesen. Oder das römische Fest der Saturnalien. Oder der Geburtstag des Gottes Mithras, dessen Kult im Rom der Spätantike vor allem in den Legionen viele Anhänger hatte. Wieder andere verorten den Ursprung von Weihnachten in den germanischen/skandinavischen Raum und erklären das Fest „Jul“ zum wahren Ursprung von Weihnachten.
All diesen Herleitungen gemein ist der Gedanke, dass es ja schon ein seltsamer Zufall sei, dass Jesus laut christlicher Tradition ausgerechnet an dem Tag geboren sein soll, der in der Antike als Tag der Wintersonnenwende galt… da erscheint ein vorchristliches Fest zur Wintersonnenwende, das von den Christen später zum Geburtstag von Jesus umgedeutet wurde, auf den ersten Blick einfach logischer.
Ebenfalls liest und hört man häufig, Weihnachtsbaum, Adventskranz und Mistelzweige kämen daher, dass Römer, Germanen und Kelten zur Wintersonnenwende ihre Häuser mit immergrünen Pflanzen geschmückt hätten.
In manchen Kreisen schließlich heißt es sogar, der Weihnachtsmann sei eigentlich Odin, der oberste der vorchristlichen skandinavischen Götter! Wesentlich häufiger ist da noch das Narrativ, Coca-Cola hätte den Weihnachtsmann als Werbefigur erfunden.
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Wir sehen also: Es gibt eine Menge an verschiedenen (und teils widersprüchlichen) Behauptungen zu den angeblichen Ursprüngen des Weihnachtsfestes selbst und der mit ihm verbundenen Bräuche.
Schauen wir sie uns also eine nach der anderen an:
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Das Datum:
Viele Menschen heute glauben, dass quasi jede Kultur auf der Welt die Sonnenwenden und die Tag- und Nachtgleichen besonders gefeiert hätte. Diese Vorstellung begegnet einem in Diskussionen um die angeblichen heidnischen Ursprünge christlicher Feiertage sehr häufig.
Das Problem ist nur: Es gibt tatsächlich eine Menge antiker Kulturen, bei denen diese astronomischen Ereignisse überhaupt nicht großartig gefeiert wurden… darunter das antike Griechenland und (für die längste Zeit seiner Existenz) das antike Rom.
Der 25. März war zwar schon von Gaius Julius Caesar als Tag der Wintersonnenwende festgelegt worden, war zunächst aber nicht dem Sonnengott, sondern unter dem Namen „Brumalia“ Bacchus geweiht.
Ein besonderes Fest an diesem Tag gab es den Quellen nach zunächst ebenfalls nicht.
Anfang des 3. Jahrhunderts berechnet Hyppolytus von Rom, dass Jesus am 25. März gezeugt (und logischerweise 9 Monate später, am 25. Dezember geboren) wurde und setzt sich mit diesem Datum schnell unter den römischen Christen durch.
Der 25. März wird daher in der katholischen Kirche auch bis heute als der Tag der Verkündigung des Herrn (oder altmodischer: „Mariä Verkündigung“) gefeiert. Als der Tag, an dem Maria von Gabriel erfuhr, dass sie einen Sohn empfangen würde, was auch gleichzeitig als Moment der Zeugung durch den heiligen Geist gilt.
(Wichtiger Disclaimer: Es geht hier NICHT darum, an welchem Datum der historische Jesus von Nazareth tatsächlich geboren wurde! Es geht ausschließlich darum, wann und auf welcher Basis die frühen Christen anfingen, den 25. Dezember als das Geburtsdatum Jesu zu sehen.)
Hippolytus Berechnung basiert auf der im Mittelmeerraum zu dieser Zeit verbreiteten Annahme, dass bedeutende Personen am selben Datum gezeugt wurden, an dem sie dann Jahre Später auch starben.
Und Jesus starb laut den Evangelien am ersten Tag des jüdischen Passahfestes, dessen Datum von der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche abhängt.
Dass der von Hyppolytus berechnete Geburtstag Jesu mit dem römischen Datum der Wintersonnenwende zusammenfällt, ist also tatsächlich ein Zufall, der darauf beruht, dass zwischen der Zeugung und der Geburt eines Menschen die selbe Zeitspanne liegt, wie zwischen der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche und der Wintersonnenwende:
9 Monate.
Am 25. Dezember 274 (also erst Jahrzehnte NACHDEM sich das von Hyppolytus berechnete Datum für die Geburt Christi unter den römischen Christen durchgesetzt hatte) eröffnete Kaiser Aurelian einen Tempel für den unbesiegbaren Sonnengott Sol Invictus auf dem Marsfeld.
Alle 4 Jahre, am Jahrestag der Eröffnung des Tempels, wurden daraufhin Wettkämpfe zu Ehren des Sonnengottes am Tempel abgehalten.
Diese Wettkämpfe waren aber noch nicht das im gesamten Imperium in fast jedem Haushalt gefeierte Geburtstagsfest des Unbesiegbaren Sonnengottes, das gerne als die Vorlage für Weihnachten genannt wird.
Dieses Fest, der Dies Natalis Sol Invictus, wird tatsächlich nicht nur zur gleichen Zeit wie Weihnachten das erste Mal erwähnt… sondern auch noch in der selben Quelle!
Dem „Chronographen von 354“.
Beide Feste haben sich in der nachfolgenden Zeit zweifellos gegenseitig beeinflusst, aber es ist absolut falsch zu sagen, dass die Christen das Datum für Weihnachten auf das Datum der Wintersonnenwende legten, um das bestehende Fest des unbesiegbaren Sonnengottes übernehmen zu können.
Tl;dr:
-Weihnachten und das Geburtstagsfest des Sonnengottes sind exakt gleichalt.
-Die Christen hielten den 25. Dezember für den Geburtstag Jesu Jahrzehnte BEVOR die Römer den selben Tag für den Geburtstag des unbesiegbaren Sonnengottes hielten.
-Das Datum für Weihnachten hängt ursprünglich nicht mit der Wintersonnenwende, sondern mit der Frühjars-Tagundnachtgleiche und dem Passah-Fest zusammen.
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Mithras hat mit dem Dies Natalis Sol Invictus am 25. Dezember oder mit dem 25. Dezember allgemein tatsächlich garnichts zu tun, auch wenn das oft fälschlicherweise zusammengeworfen wird.
Der vom römischen Mithraskult verehrte Mithras (der nicht einfach so mit dem orientalischen Gott gleichen Namens gleichgesetzt werden kann) trug zwar gelegentlich auch den Beinamen „sol invictus“ ist aber trotzdem nicht der gleiche Gott, wie der Sol Invictus, der von Aurelian zum römischen Staatsgott erklärt und dessen Geburtstag nachweislich seit dem 4. Jahrhundert am 25. Dezember gefeiert wurde.
Das ist sehr verwirrend, weil es auf Namen und Ehrentitel von Göttern halt leider kein Copyright gab und eine menge verschiedene Kulte im römischen Imperium sehr verschiedenen Göttern ähnliche oder identische Namen gaben.
(Die Isis aus dem spätrömischen Isiskult ist auch nicht die selbe, wie die ägyptische Göttin Isis.)
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Jul:
Im 10ten Jahrhundert verlegt der norwegische König Hakon der Gute das Julfest auf den 25. Dezember. Er verfolgt damit ausdrücklich die Absicht, Spannungen zwischen seinen christlichen und heidnischen Untertanen abzubauen und sie mit einem gemeinsamen Feiertag zu einen.
Zuvor lag Jul den Quellen nach in den „Hacknächten“ zu „Mittwinter“.
Wann genau dieses Datum gewesen sein soll, ist bis heute in der Forschung umstritten. Andreas E. Zautner vertritt in seinem Buch „der gebundene Mondkalender der Germanen“ die These, Jul sei am ersten Vollmond nach der Wintersonnenwende gefeiert worden. Demnach hätte das Fest sogar weit im Januar liegen können! Aber nicht die gesamte Forschungswelt findet diese These überzeugend.
Wann immer Jul auch ursprünglich gefeiert worden sein mag: Am 25. Dezember auf jeden Fall nicht, sonst hätte König Hakon das Fest nicht auf diesen Tag verlegen müssen.
Ergo: Die Christen haben das Datum für Weihnachten definitiv nicht vom skandinavischen Julfest übernommen. Im Gegenteil: Die Skandinavier übernahmen das Datum von Weihnachten und verlegten ihr Julfest darauf. Lediglich den Namen Jul übernamen in der Folge auch die skandinavischen Christen für Weihnachten.
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Saturnalia:
Die Saturnalien waren ein römisches Fest, das ursprünglich am Jahrestag der Weihung des Tempels für Saturn auf dem Forum Romanum am 17ten Dezember lag.
Mitte des ersten Jahrhunderts wurden sie zu einem mehrtägigen Fest, das immer noch am 17ten Dezember begann und bis zum 23. Dezember dauerte. Bis in die Spätantike wurden sie immer weiter verlängert und dauerten schließlich sogar bis zum 30. Dezember. Diese Entwicklung fand allerdings erst lange NACH der Zeit statt, in der Hyppolytus von Rom den 25. Dezember als Geburtstag Jesu berechnete. Zu seiner Zeit endeten die Saturnalien noch 2 Tage vor dem von ihm berechneten Datum.
Der 25. Dezember spielte innerhalb der Saturnalien keine besondere Rolle und das Fest hatte auch nichts damit zu tun, die Wintersonnenwende zu feiern. Als sowohl das christliche Weihnachten als auch der römische Dies Natalis Sol Invictus sich als große Feste am 25. Dezember durchzusetzen begannen, wurden beide von den Zeitgenossen als etwas völlig eigenständiges und von den Saturnalien getrenntes wahrgenommen.
Während der Saturnalien war es üblich, sich gegenseitig zu beschenken (Bienenwachskerzen als teures, aber nützliches Beleuchtungsmittel für die langen Nächte im Winter waren wohl besonders beliebt). Dieser Brauch besonders wird, neben der terminlichen Nähe, oft als Anlass dafür genommen, die Saturnalien mit Weihnachten in Verbindung zu bringen.
Der Brauch, sich zu Weihnachten gegenseitig Geschenke zu machen, ist nur dummerweise noch gar nicht so schrecklich alt.
Im Mittelalter beschenkte man sich je nach Region und Zeit entweder zum Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember (mit ihm werden wir uns später noch ausführlicher befassen) oder am Gedenktag der heiligen drei Könige am 5. Januar.
Beide Tage liegen deutlich außerhalb der Saturnalien.
Erst mit der Reformation (die die Verehrung von Heiligen wie Nikolaus und den heiligen Königen als Götzendienst ablehnte) wurde der Tag, an dem es im Winter Geschenke gab, auf den Weihnachtstag verlegt. Mit der Zeit übernahmen auch die Katholiken den Brauch, sich an Heiligabend zu beschenken.
Es gibt aber tatsächlich Einflüsse, die die Christen von den Saturnalien übernommen und in die Art eingebaut haben, wie sie Weihnachten begingen.
Allerdings handelt es sich dabei um keinen der Bräuche, an die heute meist gedacht wird, wenn es um „heidnische Einflüsse auf Weihnachten“ geht. Und es handelt sich um etwas, was wir heute quasi gar nicht mehr mit Weihnachten verbinden.
Die Saturnalien waren eine Zeit, in der soziale Grenzen und gesellschaftliche Regeln ein gutes Stück weit aufgehoben oder sogar umgekehrt wurden. Geschäfte und Handwerksbetriebe schlossen zu dieser Zeit, es gab wilde, ausgelassene Feste und Umzüge auf den Straßen. Es wurde ausgiebig gegessen und vor Allem in rauen Massen Alkohol getrunken. Die Menschen durften lautstark die Obrigkeit kritisieren und verspotten. In vielen Haushalten gab es den Brauch, dass Sklaven während der Saturnalien von ihren Besitzern bedient wurden. Bürger legten die Toga als Zeichen ihres Standes ab und trugen stattdessen Tunica und Pileus (eine Filzmütze, die vor Allem von Soldaten und freigelassenen Sklaven getragen wurde). Die Menge wählte einen Saturnalienfürst (Saturnalicus princeps), der auch als „Rex Bibendi“ (König des Trinkens) bezeichnet wurde.
Wen all das an modernes Karnevalsbrauchtum erinnert, mit Karnevalsumzug, politisch-satirischem Humor, wilden und oft derben Späßen, Umkehr sozialer Rangordnungen (der Sturm aufs Rathaus an Altweiber) und einem Karnevalsprinz, der über alles herrscht… ja, der Vergleich ist passend.
Die Saturnalien hatten sehr viel mehr Ähnlichkeit mit mit dem heutigen rheinischen Karneval als mit dem, was wir unter Weihnachten gewohnt sind.
Und tatsächlich galt das Selbe auch für die Mittelalterliche Weihnachtszeit:
Weihnachten war auch im Mittelalter eine Zeit ausgelassener Feste, derber Späße (oft auf Kosten der Obrigkeit) und der Aufweichung oder sogar Umkehr gesellschaftlicher Rangordnungen. Aus vielen spätmittelalterlichen Städten gibt es Quellen für öffentliche Schauspiele zur Weihnachtszeit, die zwar für gewöhnlich einen religiösen Aufhänger hatten, aber vor Allem lustig (und gar nicht so selten auch ziemlich schlüpfrig) waren.
Eines der besten Beispiele für diese karnevaleske Natur der mittelalterlichen Weihnachtszeit ist das „Fest der unschuldigen Kinder“ am 28. Dezember.
An diesem, zur Erinnerung an den Kindermord in Bethlehem gefeierten, Fest durften Kinder ihren Eltern und sonstigen Autoritätspersonen Streiche spielen, ohne eine Bestrafung dafür fürchten zu müssen (Im spanischsprachigen Raum ist dieser Tag bis heute die Entsprechung zu unserem 1. April). In Klosterschulen wurde der jüngste Schüler für einen Tag auf den Stuhl des Abtes gesetzt und vielerorts wählten die Kinder einen Kinderbischof, der eine komödiantische Messe hielt und in einer Predigt die Erwachsenen für ihr Fehlverhalten aus Sicht der Kinder tadelte.
Leider machte die Reformation diesem Brauch vielerorts ein Ende und auch in den katholischen Regionen starb er im 18ten Jahrhundert langsam aus, als die Weihnachtszeit einen eher stillen und besinnlichen Charakter annahm.
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Der Weihnachtsbaum:
„Was um Alles in der Welt hat eine mit Lametta umwickelte Tanne mit Jesus zu tun?“
Die Frage ist berechtigt und macht die oft gehörte Behauptung glaubwürdig, auch hier sei ein vorchristlicher Brauch übernommen worden. Schon Römer, Germanen und Kelten hätten ihre Häuser zur Wintersonnenwende mit immergrünen Pflanzen geschmückt, um ein Bisschen Grün in freudiger Erwartung des Frühlings in Sichtweite zu haben.
So gut diese Erklärung klingt… es gibt keinerlei historische Quellen für solch einen Brauch. Bei keiner der drei genannten Kulturen.
Aber wo kommt der Weihnachtsbaum denn dann her?
Seinen Anfang hat dieser Brauch im Spätmittelalter, als es üblich wurde, in Kirchen „Paradiesbäume“ aufzustellen. Dieser reich geschmückte und oft mit Früchten, Nüssen und anderen Leckereien behangene Baum stand für den „Baum des Lebens“, von dem Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies nicht mehr essen durften und dadurch sterblich wurden. In der Adventszeit vor Weihnachten wurden oft Schauspiele in der Kirche veranstaltet, die die Vertreibung aus dem Paradies darstellten und zeigten wie ein Engel mit einem Schwert den Baum bewachte. Nachdem am Heiligabend dann Jesus geboren worden war, wurden die Leckereien am Baum an die Gemeinde verteilt, als Symbol dafür, dass durch Jesus die Menschen Vergebung von der Ursünde erlangt hatten und im Paradies wieder vom Baum des Lebens würden essen dürfen. In ganz Europa wurden für diesen Zweck gerne immergrüne Bäume verwendet (als Symbol für das ewige Leben). Nördlich der Alpen bedeutete das klimabedingt: Nadelbäume.
Am Ende des Mittelalters und zu Beginn der frühen Neuzeit begannen dann einige wohlhabendere Haushalte (die den nötigen Platz dafür hatten) sich solch einen Paradiesbaum in der Weihnachtszeit in ihr eigenes Haus zu stellen.
Der Geschmückte Tannenbaum im Haus zu Weihnachten blieb jedoch auch in der frühen Neuzeit zunächst ein Brauch, der auf einige Regionen in Deutschland begrenzt war, bis Prince Albert, der deutschstämmige Ehemann der britischen Königin Victoria, ihn aus seiner Heimat mitbrachte. Victoria und Albert verstanden es sehr, sich durch die zu ihrer Zeit modernen Medien in Szene zu setzen und zu vermarkten. Durch Postkarten, die die Königsfamilie am Weihnachtsbaum sitzend zeigten, verbreitete sich der Brauch so rasch in der gesamten westlichen Welt.
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Der Weihnachsmann:
Der Weihnachtsmann ist weder Odin, noch wurde er von Coca Cola erfunden.
Santa Claus, wie er in der englischsprachigen Welt heißt, ist, wenig überraschend, ursprünglich niemand anderes als der heilige Nikolaus.
Nikolaus von Myra, ein Bischof aus Kleinasien in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, war einer der beliebtesten Heiligen des Mittelalters. Vor Allem zwei der Legenden, die sich um ihn ranken, trugen zu seiner Beliebtheit bei:
In einer Legende bekam er mit, dass ein armer Mann mit drei Töchtern kurz davor stand, diese in die Prostitution zu verkaufen, da er sich keine Mitgift leisten konnte, um sie zu verheiraten und auch sonst keinen Weg mehr sah, sie alle zu ernähren. Der Bischof warf also in drei aufeinanderfolgenden Nächten Beutel mit Münzen durch das Fenster des Mannes, jeweils gefüllt mit genug Geld, um die Mitgift für eine der Töchter zu bezahlen.
Durch diese Legende wurde Nikolaus zum Schutzheiligen der Prostituierten, der Armen und allgemein zum Heiligen der Mildtätigkeit gegenüber Bedürftigen.
Eine andere Legende handelt von einer Hungersnot in Myra, während der vor Allem Fleisch extrem knapp war. Ein verbrecherischer Metzger lockte drei junge Knaben in seine Werkstatt, tötete sie und legte sie in Pökellake ein, um sie als Schinken zu verkaufen. Als er Nikolaus seinen „Schinken“ anbieten wollte, erkannte der Bischof aber sofort, was er dort tatsächlich vor sich hatte, ging zum Pökelfass, machte ein Kreuzzeichen und die drei Jungen entstiegen der Lake lebend und ohne Verletzung.
Durch diese Legende wurde Nikolaus der Schutzheilige der Kinder.
Mit dieser Kombination aus Zuständigkeiten verbreitete sich bald der Brauch, seinen Mitmenschen, vor Allem aber Kindern, am Gedenktag des Heiligen Geschenke zu machen.
Mit der Reformation wurde die Verehrung von Heiligen in den protestantischen Gebieten offiziell abgeschafft, da man darin Götzendienst und Vielgötterei sah. Auf den Brauch des sich gegenseitig Beschenkens im Winter wollte man jedoch nicht verzichten, so dass Luther stattdessen die Tradition einführte, dass das Christkind von nun an Geschenke brachte. Und zwar nicht am Gedenktag irgendeines Heiligen, sondern am Heiligabend. Im Laufe der Zeit übernahmen auch viele katholische Regionen den Brauch, am Heiligabend Geschenke „vom Christkind“ zu verteilen.
In anderen Gegenden Europas wollte man den beliebten Heiligen jedoch auch unter dem neuen protestantischen Glauben nicht einfach so kampflos aufgeben:
Im anglikanischen England wurde die Figur des „Father Christmas“ erfunden, der nicht als Heiliger gefeiert wurde, sondern als anthropomorphe Personifikation des Weihnachtsfestes Freude und festliche Stimmung unter die Menschen brachte.
In den Niederlanden war man sehr viel weniger subtil und behielt den Heiligen einfach unter dem Namen „Sinterklaas“ bei.
In den USA schließlich verschmolzen durch die gegenseitige kulturelle Beeinflussung verschiedener Einwanderergruppen der englische „Father Christmas“ und der niederländische „Sinterklaas“ zu der Figur des Weihnachtsmannes.
Die heute bekannten Elemente, wie sein von Rentieren gezogener Schlitten, seine Pelzgefütterte Kleidung, seine rundliche Statur, die Tatsache, dass er das Haus durch den Kamin betritt und am Nordpol wohnt, wurden im 19ten und frühen 20sten Jahrhundert durch mehrere Autoren von Büchern und Geschichten für Kinder erfunden.
Durch die immense Reichweite und Verbreitungsgeschwindigkeit, die solche Schriften durch Buch- und Zeitungsverlage zu dieser Zeit bekommen konnten, verbreiteten sich diese Vorstellungen von Santa Claus rasch durch die gesamten USA und jeder Autor, der eine neue Geschichte oder ein neues Gedicht über ihn Schrieb, baute auf den schon kursierenden Geschichten über ihn auf.
Man kann ziemlich gut nachverfolgen, wann, wie und durch wen jedes dieser Elemente erfunden wurde. Irgendwelche alten heidnischen Einflüsse können sehr sicher ausgeschlossen werden.
Im 19ten Jahrhundert hatte sich zwar die Vorstellung durchgesetzt, dass Santa Claus einen Pelzmantel und eine Pelzmütze trug, dieser wurde aber noch in allen möglichen Farben dargestellt.
Im frühen 20sten Jahrhundert begann sich dann Stück für Stück Rot als die häufigste Farbe für die Kleidung des Weihnachtsmannes durchzusetzen.
Als Coca Cola in den 1930ern damit begann, Santa Claus als Werbefigur zu nutzen, erfanden sie also weder ihn, noch sein Design als rundlichen, in rote, pelzgefütterte Kleidung gehüllten, bärtigen Mann, sondern übernahmen nur die zu dieser Zeit verbreitetste und populärste Darstellung der Figur, um die beste Werbewirkung zu erzielen.
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Und was hat der Weihnachtsmann jetzt mit Odin zu tun?
Gar nichts.
Die Idee, der Weihnachtsmann sei ursprünglich aus dem nordischen Gott Odin entstanden, der als christlicher Geschenkebringer umgedeutet worden sei, entstand im 19ten und frühen 20sten Jahrhundert, als Nationalisten und völkische Esoteriker alles mögliche auf uralte germanische oder keltische Wurzeln zurückführen wollten, um damit ihre (ziemlich künstliche und noch sehr junge) nationale Identität zu stärken und zu legitimieren. („Sehr her! Selbst die Amerikaner feiern unseren germanischen Göttervater! Sie wissen es nur nicht!“)
Die Nazis griffen die Idee begeistert auf und bauten sie in ihre Vorgaben ein, wie der SS-Mann und seine Familie das Julfest zu begehen hätten (inklusive Lebkuchen in Hakenkreuz- und Runenform. Ich wünschte, ich würde mir das ausdenken, aber das gab es wirklich…). Der Weihnachtsbaum wurde zur „Jultanne“ umgedeutet, an der „Julkugeln“ hingen. Ein Julkranz stand auf dem Tisch und jedes Jahr gab es einen neuen „Julteller“. Nach dem Vorbild eines norwegischen Keramikleuchters aus dem 16ten Jahrhundert wurden von KZ-Gefangenen in Sklavenarbeit die so genannten „Julleuchter“ hergestellt.
Leider gibt es bis Heute viele Neuheiden, die (meist nicht bewusst, sondern einfach aus Unwissenheit) diese von den Nationalsozialisten erfundenen Jul-„Traditionen“ weiter betreiben.
Es gab teils skurrile Erklärungen und „Belege“ für diese Behauptung, so etwa die Tatsache, dass Odins Pferd ebenso wie die Rentiere fliegen kann (es gibt haufenweise fliegende Pferde und andere fliegende Reittiere in allen möglichen Mythologien rund um die Welt. Da könnte man ebenso gut behaupten, dass Bellerophon als Reiter des geflügelten Pferdes Pegasus der Ursprung des Weihnachtsmannes sei.), oder die Tatsache, dass Odins Pferd Sleipnir acht Beine hat und der Weihnachtsmann 8 Rentiere (Das Argument halte ich für dämlich genug, dass es keiner detaillierten Widerlegung bedarf).
Vor Allem aber wurde Behauptet, Kinder im wikingerzeitlichen Skandinavien hätten im Winter ihre Stiefel mit Heu für Odins Streitross gefüllt und in den Rauhnächten vor die Tür ihres Hauses gestellt. Odin hätte den braven Kindern dann als Gegenleistung Leckerbissen in den Stiefeln gelassen.
Es wird hoffentlich nicht überraschen, zu hören, dass es keinerlei wikingerzeitliche oder frühere Quellen für diese Geschichten gibt, sondern es sich hier komplett um eine Erfindung des 19ten Jahrhunderts handelt.
Zuletzt wird angeführt, dass es ja tatsächlich aus der Wikingerzeit belegte Geschichten gäbe, in denen Odin als reisender alter Mann verkleidet durch die Welt der Menschen zieht und Leute, denen er begegnet, insgeheim auf ihre Tugendhaftigkeit und ihre Moral prüft. Ja nachdem, wie gut oder schlecht sie dieser Prüfung standhalten, werden sie dann entweder von ihm bestraft oder belohnt.
Und ja, solche Geschichten gibt es über Odin… und über alle möglichen anderen mythologischen Figuren in allen möglichen Religionen und Kulturen quer über den Globus und durch die Zeit… inklusive der Bibel. Das göttliche/übernatürliche Wesen, das als Mensch verkleidet, die Menschen insgeheim auf ihren Charakter prüft und je nach Abschneiden beschenkt oder bestraft, ist ein extrem häufiger mythologischer Topos.
Genau so gut könnte man Zeus und Hermes als den „wahren“ Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht bezeichnen. Oder die Engel, die in Sodom und Gomorrha nach guten Menschen suchten und am Ende nur Lot und seine Familie als würdig fanden, gerettet zu werden. Oder den Bettler, mit dem Sankt Martin seinen Mantel teilte und der sich später als Christus herausstellte.
Alle Versuche, den Weihnachtsmann mit Odin gleichzusetzen, sind entweder völkisches Geschwurbel oder gehen auf solches zurück.
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Fazit:
Das Weihnachtsfest hat im Laufe der Jahrhunderte einiges an Veränderungen durchgemacht. Bräuche haben sich verändert, wurden aufgegeben oder neu dazu erfunden. Und ja, in der Frühzeit des Christentums wurden auch durchaus Bräuche von nichtchristlichen Kulten und Religionen übernommen (Ebenso wie andere Religionen übrigens Elemente des Christentums übernahmen).
Aber zum Einen sind diese tatsächlichen vorchristlichen Überbleibsel meistens nicht die Elemente des Weihnachtsfestes, bei denen es so oft behauptet wird, zum Anderen haben die wenigsten dieser Elemente die Reformation überlebt.
Und zu guter Letzt:
Nein, weder das Datum von Weihnachten, noch der Christbaum, die Weihnachtsgeschenke oder der Weihnachtsmann wurden von irgendwelchen Heiden „gestohlen“.
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Zum Weiterlesen:
Eine sehr detaillierte Arbeit darüber, wie genau Hippolyt das von ihm vertretene Geburtsdatum für Jesus berechnete:
Und natürlich, wie so oft, wenn ich über pseudohistorische Mythen das Christentum betreffend schreibe, ein hervorragender Artikel von Tim O’Neill zum Thema:
Liebe Real Music Lovers, lasst Euch nicht täuschen von den vielen bunten Bildern in Medien und sozialen Netzwerken, die uns signalisieren, die Kultur sei wieder voll erblüht und es gäbe eine riesige Nachfrage nach Konzerten und anderen Events. Für die sommerlichen Open Air Veranstaltungen mag das teilweise stimmen. Aber die ganze Wahrheit sieht anders aus: die komplette Szene steuert möglicherweise auf die nächste Katastrophe zu. Alle Indoor-Spielstätten, von den Liveclubs bis zu den Theatern, Hallen und Kleinkunstbühnen im ganzen Land berichten mehr oder weniger offen, dass es für ihre Hauptsaison ab Herbst kaum relevante Kartenvorverkäufe gibt.
War die Freude seit April 2022 in der Live-Szene zunächst riesig, endlich wieder ohne Einschränkungen Konzerte und sonstige Events durchführen, besuchen und genießen zu können, zeigt sich von Woche zu Woche deutlicher, dass die mangelnde Nachfrage nach Tickets für die nächsten Monate zunehmend Entsetzen und erneut Existenzängste auslösen - bei Künstlern, Agenturen, Veranstaltern und allen involvierten Dienstleistern. Heutzutage sind Vorverkaufsergebnisse der Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg von Veranstaltungen und die Beteiligten können früh erkennen, ob ein Konzert, eine Veranstaltung oder eine Tournee den erwarteten Zuspruch finden wird. Bleiben Ticketverkäufe Woche für Woche auf niedrigem Niveau, ist eine defizitäre Veranstaltung zu erwarten, was sich aber nach der über zweijährigen, coronabedingten Durststrecke niemand mehr leisten kann.
Wer genau hinschaut wird feststellen, dass täglich überall im Land viele Einzelveranstaltungen und komplette Tourneen – ja sogar einzelne Festivals - für das Restjahr 2022 abgesagt werden, obwohl es zur Zeit keine schädlichen Veranstaltungsauflagen gibt. Es mehren sich die Stimmen, die nicht mehr wie üblich organisatorische Probleme oder Erkrankung als Absagegrund und Ausrede angeben, sondern offen und ehrlich kommunizieren, dass hauptsächlich wegen der Kaufzurückhaltung der Fans die Notbremse gezogen wird, um ein finanzielles Fiasko der Veranstaltungen zu vermeiden. Mutige Aussagen wenn man bedenkt, dass das Selbstwertgefühl von Künstler*ìnnen leiden muss, wenn ihre Kunst nicht gefragt zu sein scheint.
Fans und potentielle Veranstaltungsbesucher*innen hätten es selbst in der Hand, diesem verhängnisvollen Kreislauf zwischen mangelnder Nachfrage und Veranstaltungsabsagen gegenzusteuern. Würden sie Karten kaufen, käme es zu weniger Panikreaktionen und somit zu weniger gecancelten Events. Nur wer kann den Fans und potentiellen Besuchern ihre Zurückhaltung verdenken? Hatten sie doch nun über zwei Jahre erleben müssen, dass sie ihre bereits vor langer Zeit gekauften Karten immer noch nicht einlösen konnten, weil die Veranstaltungen zum x-ten Mal wegen Lockdowns und sonstigen Einschränkungen verschoben wurden. Oder sie hatten Aufwand und Probleme, wieder an ihr Geld für ganz abgesagte Events zu kommen, mussten sich mit Gutscheinregelungen herumschlagen und warten zum Teil heute noch auf Erstattungen.
Nicht nur für Kultur- und Veranstaltungsbranche waren diese beiden Pandemiejahre kaum planbar, auch Millionen von Veranstaltungsbesuchern haben die langandauernden Absagewellen erleiden müssen und waren als „User“ selbst von etlichen Enttäuschungen betroffen. Das Vertrauen der Kartenkäufer*innen ist verschwunden, für den Herbst und Winter bahnt sich ein neues, flächendeckendes Fiasko der Kultur an.
Gar nicht hilfreich, in unserem Zusammenhang sogar schädlich, ist die begleitende, unselige Debatte der Politik über das neue Infektionsschutzgesetz, das noch im August verabschiedet werden soll, um ab Anfang Oktober Gültigkeit zu haben. Noch ist nichts beschlossen aber viele verschiedene Positionen sind verkündet. In der Ampel streiten die Regierungsparteien über den richtigen Weg zwischen größtmöglicher Vorsicht und persönlichen Freiheitsrechten. Zwar soll es nicht mehr zu flächendeckenden Lockdowns kommen, aber das komplette Gruselkabinett kulturverhindernder Maßnahmen zwischen Masken- bzw. Testpflicht und möglichen Kapazitätsbeschränkungen soll den Ländern für den Fall der Fälle erneut zur Verfügung stehen. Heute berät übrigens das Bundeskabinett darüber. Wie das ausgehen kann, müssten wir alle mittlerweile wissen: Jedes Bundesland erfindet seine eigenen Regeln und wird sie wieder verdammt kurzfristig verkünden, bei welchen Grenzwerten auch immer. Deja Vu. Als hätte die Politik aus den letzten beiden Jahren nicht viel gelernt.
In Bayern wird es besonders spannend. Da das von der Staatregierung abgesegnete Oktoberfest am 3. Oktober endet, sind dort möglicherweise erst nach einer kleinen, politischen Schamfrist und somit wohl ab Mitte Oktober etwaige Einschränkungen zu erwarten, auch wenn ebenso zu erwarten ist, dass die bayerischen Regierungsparteien im Bund sich als Opposition verstehen und daher jede Einigung der Ampelkoalition kritisieren werden – egal wie sie ausfallen wird.
Anfang August wurden die ersten Gesetzesentwürfe und Standpunkte bekannt und die auf niedrigem Niveau stagnierenden Vorverkäufe brachen danach erst so richtig ein – überall und fächendeckend. Ein Bärendienst für die komplette Kulturszene, die mit hohen staatlichen Fördermitteln zwei Jahre gerettet werden musste, um sich nun entsetzt mitten im dritten Pandemiejahr zu befinden – nach wie vor ohne jegliche Planungssicherheit – allerdings mittlerweile auch ohne fortgeschriebenen Überbrückungshilfen der Politik, die seit Juni ausgelaufen sind.
Politisches Schönreden hilft da gar nichts. Schon gar nicht der Verweis auf einen erfolgreichen Kultursommer als Beleg des Wiederstarkens der Kultur. Die komplette Veranstaltungsbranche wartet derzeit auf die hohe Politik und fordert – bislang vergeblich – das Erkennen und Verstehen dieses zerstörerischen Teufelskreises aus Unsicherheit, mangelnder Nachfrage und Absagen. Die Verbände der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft finden laut eigenen Aussagen keine Ansprechpartner aus Regierungskreisen mehr, die sie auf die angespannte Situation hinweisen können und politische Notfallpläne, um der fatalen Entwicklung gegenzusteuern, existieren nicht. Der Blindflug der Kultur wird weiter gehen und das bestehende Disaster nur noch vergrößern.
Dabei ist die Szene personell ausgeblutet, weil eine hohe Anzahl an unsichtbaren aber immens wichtigen Frauen und Männern hinter den Bühnen, die Techniker, Backliner, Fahrer, Mercher, Bühnenbauer, Securities usw. mittlerweile aus ihrem Beruf ausgestiegen und in anderen Jobs gelandet sind. In der Mehrzahl bis März 2020 als erfolgreich Soloselbstständige unterwegs, mussten sie in den beiden letzten Jahren mit finanziell unzureichenden Hilfsangeboten seitens der Politik klar kommen und viele fühlten sich gezwungen, ihre Existenz in anderen Berufsfeldern zu sichern. Der personelle Aderlass erhöht wiederum die Nachfrage nach Fachpersonal und damit die Kosten für Veranstaltungen. Von der hohen Inflation und den steigenden Energiekosten sind wir ja mittlerweile alle betroffen, was die allgemeine Kaufzurückhaltung noch befeuert.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht nur die privatwirtschaftlich organisierte Kultur trifft. Aus der öffentlich subventionierten Theaterszene sind massenhaft Alarmrufe zu hören, die über drastische Auslastungseinbrüche in ihren Häusern berichten. Gemäß der vorherrschenden hohen Altersstruktur der Besucher sind hier die sogenannten Risikogruppen dominant (Ü60/Ü70 und älter), die offensichtlich aus persönlicher Vorsicht derzeit ihre Theater meiden, wie die Pest. Das Abosystem bricht vielerorts ein. Das alles kann nicht gut gehen.
Im Vergleich zu all den Nachrichten, die wir aus der Szene hören, geht es dem Colos-Saal noch verhältnismäßig gut – vielleicht auch wegen unseres fairen Reservierungssystems und seinen Vorteilen für unsere Besucher. Noch verkaufen wir auch Karten für die kommenden Monate, allerdings bei weitem nicht auf dem Niveau vorpandemischer Zeiten. Nur nützt uns das herzlich wenig, wenn wir unser Aschaffenburger Konzert innerhalb einer Tournee noch relativ gut verkaufen, aber das gleiche Konzert bei anderen Tourstationen in den anderen Städten schlecht läuft. Bei einer Tournee ist für die Beteiligten immer das finanzielle Gesamtergebnis im Auge zu behalten und wenn das in anderen Städten defizitär zu werden droht, müssen wir trotzdem damit rechnen, dass auch unser Konzert mit der gesamten Tour abgesagt wird.
Es ist uns hier sehr wichtig, auf die Zusammenhänge hinzuweisen, statt nur herum zu jammern und das eigene Los zu beklagen. Daher versuchen wir hier in diesen Zeilen auch eine Momentaufnahme der gesamten Live-Kulturszene zu beschreiben und gewisse Mechanismen zu erklären, die wir aus unseren diversen Netzwerken und zunehmend auch aus Presseberichten in Erfahrung bringen konnten.
Die tourneebedingten Absagen zwischen Ende August und Oktober im Colos-Saal-Programm sind nicht zu übersehen. Die Gründe: mal sind es die beschriebenen Vorverkaufsergebnissen unter aller Erwartungen, mal Long-Covid-Erscheinungen bei diversen Künstlern und zusätzlich noch der Brexit, der bei Tourneen britischer Künstler eine neue Kostenlawine auslöst. Bislang sind bei uns in diesem Zeitraum die Konzerte von Ian Paice, Ferocius Dog und Marc Broussard verschoben worden. Die Gigs und Tourneen von King`s X, Stan Webb, Y&T, Eric Gales sowie Tito & Tarantula wurden sogar ersatzlos abgesagt. Die angespannte Lage, so vermuten wir, wird in den kommenden Wochen allerdings noch weitere negative Überraschungen bringen, auf die wir kaum Einfluss haben. Absurderweise geschieht dies alles im Moment angesichts deutlich fallender Infektionszahlen.
Wie ist dieser Negativtrend zu stoppen? Das Publikum müsste trotz aller schlechten Erfahrungen wieder anfangen, Karten zu ordern und die Politik muss dringend die Kultur in ihre Zukunftszenarien mit eindenken und hoffentlich im Herbst schonen. Beides wird allerdings nur passieren, wenn Experten und Politik irgendwann mehrheitlich und guten Gewissens das Virus als allgemeines Lebensrisiko bewerten können und die Hospitalisierungsraten niedrig bleiben. Ansonsten droht der Kultur eine dritte und vierte Nullrunde in 2022 und 2023, somit großer, vielleicht irreparabler Schaden.
Ein letztes noch in eigener Sache: Trotz düsterer Aussichten bleibt das Colos-Saal-Team verhalten optimistisch und stemmt sich gegen sämtliche Negativtrends, indem wir es beispielsweise sogar wagen, unseren Personalstamm zu verstärken. Es bleibt uns zur Zunkunftssicherung nichts anderes übrig. Wir müssen neue Leute einstellen und anlernen, denn bei uns werden in den nächsten Jahren mehrere Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Gewöhnt Euch schon mal an drei neue Gesichter bei uns ab September. Darüber mehr im nächsten Newsletter.
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mal eine gute Zusammenfassung„Geklaute“ christliche Feste? – Weihnachten, Römer, Germanen und Coca Cola.
inforo1300.wordpress.com/2022/11/27/geklaute-christliche-feste-weihnachten-romer-germanen-und-coc...
Weihnachten steht kurz bevor.
Streng genommen nicht das höchste christliche Fest (das wäre Ostern), aber für die meisten Menschen heute der wichtigste und am größten gefeierte Festtag des Jahres.
Weihnachten, wie die meisten Menschen es heute feiern, hat kaum noch etwas mit einem christlichen Gedenkfest zur Geburt Jesu Christi zu tun, sondern ist vor allem ein Fest der Nächstenliebe und der Gemeinschaft inmitten der dunklen und kalten Jahreszeit.
Und wenn man nach dem geht, was jedes Jahr um diese Zeit im Internet und anderswo vielerorts zu lesen ist, handelt es sich dabei nur um eine Entwicklung zurück zu den Wurzeln des Weihnachtsfestes:
Ursprünglich sei dieses nämlich ein vorchristliches Fest gewesen, dass die frühen Christen nur für sich übernommen und christlich umgedeutet hätten, um den Heiden den Übertritt zum Christentum einfacher zu machen und gleichzeitig alles, was an den alten Glauben erinnerte und was nicht komplett ausgelöscht und unterdrückt werden konnte, christlich zu überpinseln und so die vorchristliche Identität der Menschen zu begraben.
Ähnliche Behauptungen werden auch zu anderen populären Festen immer wieder verbreitet, etwa zu Ostern, bei dem es sich angeblich um das germanische Frühlingsfest der Göttin Ostara handeln soll, oder Halloween/Allerheiligen, das angeblich eigentlich das keltische Totenfest Samhain sei.
Zu beiden Festen gibt es auf diesem Blog schon eigene Artikel.
Zu Ostern:
inforo1300.wordpress.com/2022/04/13/geklaute-christliche-feste-ostern-und-ostara/
Und zu Halloween:
inforo1300.wordpress.com/2022/09/30/geklaute-christliche-feste-halloween-und-samhain/
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Bei Weihnachten sind es gleich mehrere Feste verschiedener vorchristlicher Religionen, die als „wahrer“ Ursprung des Weihnachtsfestes genannt werden:
Ursprünglich sei es das römische Fest zum Geburtstag des Unbesiegbaren Sonnengottes Sol Invictus gewesen.
Oder das römische Fest der Saturnalien.
Oder der Geburtstag des Gottes Mithras, dessen Kult im Rom der Spätantike vor allem in den Legionen viele Anhänger hatte.
Wieder andere verorten den Ursprung von Weihnachten in den germanischen/skandinavischen Raum und erklären das Fest „Jul“ zum wahren Ursprung von Weihnachten.
All diesen Herleitungen gemein ist der Gedanke, dass es ja schon ein seltsamer Zufall sei, dass Jesus laut christlicher Tradition ausgerechnet an dem Tag geboren sein soll, der in der Antike als Tag der Wintersonnenwende galt… da erscheint ein vorchristliches Fest zur Wintersonnenwende, das von den Christen später zum Geburtstag von Jesus umgedeutet wurde, auf den ersten Blick einfach logischer.
Ebenfalls liest und hört man häufig, Weihnachtsbaum, Adventskranz und Mistelzweige kämen daher, dass Römer, Germanen und Kelten zur Wintersonnenwende ihre Häuser mit immergrünen Pflanzen geschmückt hätten.
In manchen Kreisen schließlich heißt es sogar, der Weihnachtsmann sei eigentlich Odin, der oberste der vorchristlichen skandinavischen Götter!
Wesentlich häufiger ist da noch das Narrativ, Coca-Cola hätte den Weihnachtsmann als Werbefigur erfunden.
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Wir sehen also: Es gibt eine Menge an verschiedenen (und teils widersprüchlichen) Behauptungen zu den angeblichen Ursprüngen des Weihnachtsfestes selbst und der mit ihm verbundenen Bräuche.
Schauen wir sie uns also eine nach der anderen an:
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Das Datum:
Viele Menschen heute glauben, dass quasi jede Kultur auf der Welt die Sonnenwenden und die Tag- und Nachtgleichen besonders gefeiert hätte. Diese Vorstellung begegnet einem in Diskussionen um die angeblichen heidnischen Ursprünge christlicher Feiertage sehr häufig.
Das Problem ist nur:
Es gibt tatsächlich eine Menge antiker Kulturen, bei denen diese astronomischen Ereignisse überhaupt nicht großartig gefeiert wurden… darunter das antike Griechenland und (für die längste Zeit seiner Existenz) das antike Rom.
Der 25. März war zwar schon von Gaius Julius Caesar als Tag der Wintersonnenwende festgelegt worden, war zunächst aber nicht dem Sonnengott, sondern unter dem Namen „Brumalia“ Bacchus geweiht.
Ein besonderes Fest an diesem Tag gab es den Quellen nach zunächst ebenfalls nicht.
Anfang des 3. Jahrhunderts berechnet Hyppolytus von Rom, dass Jesus am 25. März gezeugt (und logischerweise 9 Monate später, am 25. Dezember geboren) wurde und setzt sich mit diesem Datum schnell unter den römischen Christen durch.
Der 25. März wird daher in der katholischen Kirche auch bis heute als der Tag der Verkündigung des Herrn (oder altmodischer: „Mariä Verkündigung“) gefeiert. Als der Tag, an dem Maria von Gabriel erfuhr, dass sie einen Sohn empfangen würde, was auch gleichzeitig als Moment der Zeugung durch den heiligen Geist gilt.
(Wichtiger Disclaimer:
Es geht hier NICHT darum, an welchem Datum der historische Jesus von Nazareth tatsächlich geboren wurde!
Es geht ausschließlich darum, wann und auf welcher Basis die frühen Christen anfingen, den 25. Dezember als das Geburtsdatum Jesu zu sehen.)
Hippolytus Berechnung basiert auf der im Mittelmeerraum zu dieser Zeit verbreiteten Annahme, dass bedeutende Personen am selben Datum gezeugt wurden, an dem sie dann Jahre Später auch starben.
Und Jesus starb laut den Evangelien am ersten Tag des jüdischen Passahfestes, dessen Datum von der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche abhängt.
Dass der von Hyppolytus berechnete Geburtstag Jesu mit dem römischen Datum der Wintersonnenwende zusammenfällt, ist also tatsächlich ein Zufall, der darauf beruht, dass zwischen der Zeugung und der Geburt eines Menschen die selbe Zeitspanne liegt, wie zwischen der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche und der Wintersonnenwende:
9 Monate.
Am 25. Dezember 274 (also erst Jahrzehnte NACHDEM sich das von Hyppolytus berechnete Datum für die Geburt Christi unter den römischen Christen durchgesetzt hatte) eröffnete Kaiser Aurelian einen Tempel für den unbesiegbaren Sonnengott Sol Invictus auf dem Marsfeld.
Alle 4 Jahre, am Jahrestag der Eröffnung des Tempels, wurden daraufhin Wettkämpfe zu Ehren des Sonnengottes am Tempel abgehalten.
Diese Wettkämpfe waren aber noch nicht das im gesamten Imperium in fast jedem Haushalt gefeierte Geburtstagsfest des Unbesiegbaren Sonnengottes, das gerne als die Vorlage für Weihnachten genannt wird.
Dieses Fest, der Dies Natalis Sol Invictus, wird tatsächlich nicht nur zur gleichen Zeit wie Weihnachten das erste Mal erwähnt… sondern auch noch in der selben Quelle!
Dem „Chronographen von 354“.
Beide Feste haben sich in der nachfolgenden Zeit zweifellos gegenseitig beeinflusst, aber es ist absolut falsch zu sagen, dass die Christen das Datum für Weihnachten auf das Datum der Wintersonnenwende legten, um das bestehende Fest des unbesiegbaren Sonnengottes übernehmen zu können.
Tl;dr:
-Weihnachten und das Geburtstagsfest des Sonnengottes sind exakt gleichalt.
-Die Christen hielten den 25. Dezember für den Geburtstag Jesu Jahrzehnte BEVOR die Römer den selben Tag für den Geburtstag des unbesiegbaren Sonnengottes hielten.
-Das Datum für Weihnachten hängt ursprünglich nicht mit der Wintersonnenwende, sondern mit der Frühjars-Tagundnachtgleiche und dem Passah-Fest zusammen.
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Mithras hat mit dem Dies Natalis Sol Invictus am 25. Dezember oder mit dem 25. Dezember allgemein tatsächlich garnichts zu tun, auch wenn das oft fälschlicherweise zusammengeworfen wird.
Der vom römischen Mithraskult verehrte Mithras (der nicht einfach so mit dem orientalischen Gott gleichen Namens gleichgesetzt werden kann) trug zwar gelegentlich auch den Beinamen „sol invictus“ ist aber trotzdem nicht der gleiche Gott, wie der Sol Invictus, der von Aurelian zum römischen Staatsgott erklärt und dessen Geburtstag nachweislich seit dem 4. Jahrhundert am 25. Dezember gefeiert wurde.
Das ist sehr verwirrend, weil es auf Namen und Ehrentitel von Göttern halt leider kein Copyright gab und eine menge verschiedene Kulte im römischen Imperium sehr verschiedenen Göttern ähnliche oder identische Namen gaben.
(Die Isis aus dem spätrömischen Isiskult ist auch nicht die selbe, wie die ägyptische Göttin Isis.)
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Jul:
Im 10ten Jahrhundert verlegt der norwegische König Hakon der Gute das Julfest auf den 25. Dezember.
Er verfolgt damit ausdrücklich die Absicht, Spannungen zwischen seinen christlichen und heidnischen Untertanen abzubauen und sie mit einem gemeinsamen Feiertag zu einen.
Zuvor lag Jul den Quellen nach in den „Hacknächten“ zu „Mittwinter“.
Wann genau dieses Datum gewesen sein soll, ist bis heute in der Forschung umstritten.
Andreas E. Zautner vertritt in seinem Buch „der gebundene Mondkalender der Germanen“ die These, Jul sei am ersten Vollmond nach der Wintersonnenwende gefeiert worden.
Demnach hätte das Fest sogar weit im Januar liegen können!
Aber nicht die gesamte Forschungswelt findet diese These überzeugend.
Wann immer Jul auch ursprünglich gefeiert worden sein mag:
Am 25. Dezember auf jeden Fall nicht, sonst hätte König Hakon das Fest nicht auf diesen Tag verlegen müssen.
Ergo:
Die Christen haben das Datum für Weihnachten definitiv nicht vom skandinavischen Julfest übernommen.
Im Gegenteil: Die Skandinavier übernahmen das Datum von Weihnachten und verlegten ihr Julfest darauf.
Lediglich den Namen Jul übernamen in der Folge auch die skandinavischen Christen für Weihnachten.
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Saturnalia:
Die Saturnalien waren ein römisches Fest, das ursprünglich am Jahrestag der Weihung des Tempels für Saturn auf dem Forum Romanum am 17ten Dezember lag.
Mitte des ersten Jahrhunderts wurden sie zu einem mehrtägigen Fest, das immer noch am 17ten Dezember begann und bis zum 23. Dezember dauerte.
Bis in die Spätantike wurden sie immer weiter verlängert und dauerten schließlich sogar bis zum 30. Dezember.
Diese Entwicklung fand allerdings erst lange NACH der Zeit statt, in der Hyppolytus von Rom den 25. Dezember als Geburtstag Jesu berechnete. Zu seiner Zeit endeten die Saturnalien noch 2 Tage vor dem von ihm berechneten Datum.
Der 25. Dezember spielte innerhalb der Saturnalien keine besondere Rolle und das Fest hatte auch nichts damit zu tun, die Wintersonnenwende zu feiern.
Als sowohl das christliche Weihnachten als auch der römische Dies Natalis Sol Invictus sich als große Feste am 25. Dezember durchzusetzen begannen, wurden beide von den Zeitgenossen als etwas völlig eigenständiges und von den Saturnalien getrenntes wahrgenommen.
Während der Saturnalien war es üblich, sich gegenseitig zu beschenken (Bienenwachskerzen als teures, aber nützliches Beleuchtungsmittel für die langen Nächte im Winter waren wohl besonders beliebt).
Dieser Brauch besonders wird, neben der terminlichen Nähe, oft als Anlass dafür genommen, die Saturnalien mit Weihnachten in Verbindung zu bringen.
Der Brauch, sich zu Weihnachten gegenseitig Geschenke zu machen, ist nur dummerweise noch gar nicht so schrecklich alt.
Im Mittelalter beschenkte man sich je nach Region und Zeit entweder zum Fest des heiligen Nikolaus am 6. Dezember (mit ihm werden wir uns später noch ausführlicher befassen) oder am Gedenktag der heiligen drei Könige am 5. Januar.
Beide Tage liegen deutlich außerhalb der Saturnalien.
Erst mit der Reformation (die die Verehrung von Heiligen wie Nikolaus und den heiligen Königen als Götzendienst ablehnte) wurde der Tag, an dem es im Winter Geschenke gab, auf den Weihnachtstag verlegt.
Mit der Zeit übernahmen auch die Katholiken den Brauch, sich an Heiligabend zu beschenken.
Es gibt aber tatsächlich Einflüsse, die die Christen von den Saturnalien übernommen und in die Art eingebaut haben, wie sie Weihnachten begingen.
Allerdings handelt es sich dabei um keinen der Bräuche, an die heute meist gedacht wird, wenn es um „heidnische Einflüsse auf Weihnachten“ geht.
Und es handelt sich um etwas, was wir heute quasi gar nicht mehr mit Weihnachten verbinden.
Die Saturnalien waren eine Zeit, in der soziale Grenzen und gesellschaftliche Regeln ein gutes Stück weit aufgehoben oder sogar umgekehrt wurden.
Geschäfte und Handwerksbetriebe schlossen zu dieser Zeit, es gab wilde, ausgelassene Feste und Umzüge auf den Straßen.
Es wurde ausgiebig gegessen und vor Allem in rauen Massen Alkohol getrunken.
Die Menschen durften lautstark die Obrigkeit kritisieren und verspotten.
In vielen Haushalten gab es den Brauch, dass Sklaven während der Saturnalien von ihren Besitzern bedient wurden.
Bürger legten die Toga als Zeichen ihres Standes ab und trugen stattdessen Tunica und Pileus (eine Filzmütze, die vor Allem von Soldaten und freigelassenen Sklaven getragen wurde).
Die Menge wählte einen Saturnalienfürst (Saturnalicus princeps), der auch als „Rex Bibendi“ (König des Trinkens) bezeichnet wurde.
Wen all das an modernes Karnevalsbrauchtum erinnert, mit Karnevalsumzug, politisch-satirischem Humor, wilden und oft derben Späßen, Umkehr sozialer Rangordnungen (der Sturm aufs Rathaus an Altweiber) und einem Karnevalsprinz, der über alles herrscht… ja, der Vergleich ist passend.
Die Saturnalien hatten sehr viel mehr Ähnlichkeit mit mit dem heutigen rheinischen Karneval als mit dem, was wir unter Weihnachten gewohnt sind.
Und tatsächlich galt das Selbe auch für die Mittelalterliche Weihnachtszeit:
Weihnachten war auch im Mittelalter eine Zeit ausgelassener Feste, derber Späße (oft auf Kosten der Obrigkeit) und der Aufweichung oder sogar Umkehr gesellschaftlicher Rangordnungen.
Aus vielen spätmittelalterlichen Städten gibt es Quellen für öffentliche Schauspiele zur Weihnachtszeit, die zwar für gewöhnlich einen religiösen Aufhänger hatten, aber vor Allem lustig (und gar nicht so selten auch ziemlich schlüpfrig) waren.
Eines der besten Beispiele für diese karnevaleske Natur der mittelalterlichen Weihnachtszeit ist das „Fest der unschuldigen Kinder“ am 28. Dezember.
An diesem, zur Erinnerung an den Kindermord in Bethlehem gefeierten, Fest durften Kinder ihren Eltern und sonstigen Autoritätspersonen Streiche spielen, ohne eine Bestrafung dafür fürchten zu müssen (Im spanischsprachigen Raum ist dieser Tag bis heute die Entsprechung zu unserem 1. April).
In Klosterschulen wurde der jüngste Schüler für einen Tag auf den Stuhl des Abtes gesetzt und vielerorts wählten die Kinder einen Kinderbischof, der eine komödiantische Messe hielt und in einer Predigt die Erwachsenen für ihr Fehlverhalten aus Sicht der Kinder tadelte.
Leider machte die Reformation diesem Brauch vielerorts ein Ende und auch in den katholischen Regionen starb er im 18ten Jahrhundert langsam aus, als die Weihnachtszeit einen eher stillen und besinnlichen Charakter annahm.
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Der Weihnachtsbaum:
„Was um Alles in der Welt hat eine mit Lametta umwickelte Tanne mit Jesus zu tun?“
Die Frage ist berechtigt und macht die oft gehörte Behauptung glaubwürdig, auch hier sei ein vorchristlicher Brauch übernommen worden.
Schon Römer, Germanen und Kelten hätten ihre Häuser zur Wintersonnenwende mit immergrünen Pflanzen geschmückt, um ein Bisschen Grün in freudiger Erwartung des Frühlings in Sichtweite zu haben.
So gut diese Erklärung klingt… es gibt keinerlei historische Quellen für solch einen Brauch.
Bei keiner der drei genannten Kulturen.
Aber wo kommt der Weihnachtsbaum denn dann her?
Seinen Anfang hat dieser Brauch im Spätmittelalter, als es üblich wurde, in Kirchen „Paradiesbäume“ aufzustellen.
Dieser reich geschmückte und oft mit Früchten, Nüssen und anderen Leckereien behangene Baum stand für den „Baum des Lebens“, von dem Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies nicht mehr essen durften und dadurch sterblich wurden.
In der Adventszeit vor Weihnachten wurden oft Schauspiele in der Kirche veranstaltet, die die Vertreibung aus dem Paradies darstellten und zeigten wie ein Engel mit einem Schwert den Baum bewachte.
Nachdem am Heiligabend dann Jesus geboren worden war, wurden die Leckereien am Baum an die Gemeinde verteilt, als Symbol dafür, dass durch Jesus die Menschen Vergebung von der Ursünde erlangt hatten und im Paradies wieder vom Baum des Lebens würden essen dürfen.
In ganz Europa wurden für diesen Zweck gerne immergrüne Bäume verwendet (als Symbol für das ewige Leben). Nördlich der Alpen bedeutete das klimabedingt: Nadelbäume.
Am Ende des Mittelalters und zu Beginn der frühen Neuzeit begannen dann einige wohlhabendere Haushalte (die den nötigen Platz dafür hatten) sich solch einen Paradiesbaum in der Weihnachtszeit in ihr eigenes Haus zu stellen.
Der Geschmückte Tannenbaum im Haus zu Weihnachten blieb jedoch auch in der frühen Neuzeit zunächst ein Brauch, der auf einige Regionen in Deutschland begrenzt war, bis Prince Albert, der deutschstämmige Ehemann der britischen Königin Victoria, ihn aus seiner Heimat mitbrachte.
Victoria und Albert verstanden es sehr, sich durch die zu ihrer Zeit modernen Medien in Szene zu setzen und zu vermarkten.
Durch Postkarten, die die Königsfamilie am Weihnachtsbaum sitzend zeigten, verbreitete sich der Brauch so rasch in der gesamten westlichen Welt.
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Der Weihnachsmann:
Der Weihnachtsmann ist weder Odin, noch wurde er von Coca Cola erfunden.
Santa Claus, wie er in der englischsprachigen Welt heißt, ist, wenig überraschend, ursprünglich niemand anderes als der heilige Nikolaus.
Nikolaus von Myra, ein Bischof aus Kleinasien in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, war einer der beliebtesten Heiligen des Mittelalters.
Vor Allem zwei der Legenden, die sich um ihn ranken, trugen zu seiner Beliebtheit bei:
In einer Legende bekam er mit, dass ein armer Mann mit drei Töchtern kurz davor stand, diese in die Prostitution zu verkaufen, da er sich keine Mitgift leisten konnte, um sie zu verheiraten und auch sonst keinen Weg mehr sah, sie alle zu ernähren.
Der Bischof warf also in drei aufeinanderfolgenden Nächten Beutel mit Münzen durch das Fenster des Mannes, jeweils gefüllt mit genug Geld, um die Mitgift für eine der Töchter zu bezahlen.
Durch diese Legende wurde Nikolaus zum Schutzheiligen der Prostituierten, der Armen und allgemein zum Heiligen der Mildtätigkeit gegenüber Bedürftigen.
Eine andere Legende handelt von einer Hungersnot in Myra, während der vor Allem Fleisch extrem knapp war.
Ein verbrecherischer Metzger lockte drei junge Knaben in seine Werkstatt, tötete sie und legte sie in Pökellake ein, um sie als Schinken zu verkaufen.
Als er Nikolaus seinen „Schinken“ anbieten wollte, erkannte der Bischof aber sofort, was er dort tatsächlich vor sich hatte, ging zum Pökelfass, machte ein Kreuzzeichen und die drei Jungen entstiegen der Lake lebend und ohne Verletzung.
Durch diese Legende wurde Nikolaus der Schutzheilige der Kinder.
Mit dieser Kombination aus Zuständigkeiten verbreitete sich bald der Brauch, seinen Mitmenschen, vor Allem aber Kindern, am Gedenktag des Heiligen Geschenke zu machen.
Mit der Reformation wurde die Verehrung von Heiligen in den protestantischen Gebieten offiziell abgeschafft, da man darin Götzendienst und Vielgötterei sah.
Auf den Brauch des sich gegenseitig Beschenkens im Winter wollte man jedoch nicht verzichten, so dass Luther stattdessen die Tradition einführte, dass das Christkind von nun an Geschenke brachte.
Und zwar nicht am Gedenktag irgendeines Heiligen, sondern am Heiligabend.
Im Laufe der Zeit übernahmen auch viele katholische Regionen den Brauch, am Heiligabend Geschenke „vom Christkind“ zu verteilen.
In anderen Gegenden Europas wollte man den beliebten Heiligen jedoch auch unter dem neuen protestantischen Glauben nicht einfach so kampflos aufgeben:
Im anglikanischen England wurde die Figur des „Father Christmas“ erfunden, der nicht als Heiliger gefeiert wurde, sondern als anthropomorphe Personifikation des Weihnachtsfestes Freude und festliche Stimmung unter die Menschen brachte.
In den Niederlanden war man sehr viel weniger subtil und behielt den Heiligen einfach unter dem Namen „Sinterklaas“ bei.
In den USA schließlich verschmolzen durch die gegenseitige kulturelle Beeinflussung verschiedener Einwanderergruppen der englische „Father Christmas“ und der niederländische „Sinterklaas“ zu der Figur des Weihnachtsmannes.
Die heute bekannten Elemente, wie sein von Rentieren gezogener Schlitten, seine Pelzgefütterte Kleidung, seine rundliche Statur, die Tatsache, dass er das Haus durch den Kamin betritt und am Nordpol wohnt, wurden im 19ten und frühen 20sten Jahrhundert durch mehrere Autoren von Büchern und Geschichten für Kinder erfunden.
Durch die immense Reichweite und Verbreitungsgeschwindigkeit, die solche Schriften durch Buch- und Zeitungsverlage zu dieser Zeit bekommen konnten, verbreiteten sich diese Vorstellungen von Santa Claus rasch durch die gesamten USA und jeder Autor, der eine neue Geschichte oder ein neues Gedicht über ihn Schrieb, baute auf den schon kursierenden Geschichten über ihn auf.
Man kann ziemlich gut nachverfolgen, wann, wie und durch wen jedes dieser Elemente erfunden wurde. Irgendwelche alten heidnischen Einflüsse können sehr sicher ausgeschlossen werden.
Im 19ten Jahrhundert hatte sich zwar die Vorstellung durchgesetzt, dass Santa Claus einen Pelzmantel und eine Pelzmütze trug, dieser wurde aber noch in allen möglichen Farben dargestellt.
Im frühen 20sten Jahrhundert begann sich dann Stück für Stück Rot als die häufigste Farbe für die Kleidung des Weihnachtsmannes durchzusetzen.
Als Coca Cola in den 1930ern damit begann, Santa Claus als Werbefigur zu nutzen, erfanden sie also weder ihn, noch sein Design als rundlichen, in rote, pelzgefütterte Kleidung gehüllten, bärtigen Mann, sondern übernahmen nur die zu dieser Zeit verbreitetste und populärste Darstellung der Figur, um die beste Werbewirkung zu erzielen.
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Und was hat der Weihnachtsmann jetzt mit Odin zu tun?
Gar nichts.
Die Idee, der Weihnachtsmann sei ursprünglich aus dem nordischen Gott Odin entstanden, der als christlicher Geschenkebringer umgedeutet worden sei, entstand im 19ten und frühen 20sten Jahrhundert, als Nationalisten und völkische Esoteriker alles mögliche auf uralte germanische oder keltische Wurzeln zurückführen wollten, um damit ihre (ziemlich künstliche und noch sehr junge) nationale Identität zu stärken und zu legitimieren.
(„Sehr her! Selbst die Amerikaner feiern unseren germanischen Göttervater! Sie wissen es nur nicht!“)
Die Nazis griffen die Idee begeistert auf und bauten sie in ihre Vorgaben ein, wie der SS-Mann und seine Familie das Julfest zu begehen hätten (inklusive Lebkuchen in Hakenkreuz- und Runenform. Ich wünschte, ich würde mir das ausdenken, aber das gab es wirklich…).
Der Weihnachtsbaum wurde zur „Jultanne“ umgedeutet, an der „Julkugeln“ hingen. Ein Julkranz stand auf dem Tisch und jedes Jahr gab es einen neuen „Julteller“.
Nach dem Vorbild eines norwegischen Keramikleuchters aus dem 16ten Jahrhundert wurden von KZ-Gefangenen in Sklavenarbeit die so genannten „Julleuchter“ hergestellt.
Leider gibt es bis Heute viele Neuheiden, die (meist nicht bewusst, sondern einfach aus Unwissenheit) diese von den Nationalsozialisten erfundenen Jul-„Traditionen“ weiter betreiben.
Es gab teils skurrile Erklärungen und „Belege“ für diese Behauptung, so etwa die Tatsache, dass Odins Pferd ebenso wie die Rentiere fliegen kann (es gibt haufenweise fliegende Pferde und andere fliegende Reittiere in allen möglichen Mythologien rund um die Welt. Da könnte man ebenso gut behaupten, dass Bellerophon als Reiter des geflügelten Pferdes Pegasus der Ursprung des Weihnachtsmannes sei.), oder die Tatsache, dass Odins Pferd Sleipnir acht Beine hat und der Weihnachtsmann 8 Rentiere (Das Argument halte ich für dämlich genug, dass es keiner detaillierten Widerlegung bedarf).
Vor Allem aber wurde Behauptet, Kinder im wikingerzeitlichen Skandinavien hätten im Winter ihre Stiefel mit Heu für Odins Streitross gefüllt und in den Rauhnächten vor die Tür ihres Hauses gestellt.
Odin hätte den braven Kindern dann als Gegenleistung Leckerbissen in den Stiefeln gelassen.
Es wird hoffentlich nicht überraschen, zu hören, dass es keinerlei wikingerzeitliche oder frühere Quellen für diese Geschichten gibt, sondern es sich hier komplett um eine Erfindung des 19ten Jahrhunderts handelt.
Zuletzt wird angeführt, dass es ja tatsächlich aus der Wikingerzeit belegte Geschichten gäbe, in denen Odin als reisender alter Mann verkleidet durch die Welt der Menschen zieht und Leute, denen er begegnet, insgeheim auf ihre Tugendhaftigkeit und ihre Moral prüft.
Ja nachdem, wie gut oder schlecht sie dieser Prüfung standhalten, werden sie dann entweder von ihm bestraft oder belohnt.
Und ja, solche Geschichten gibt es über Odin… und über alle möglichen anderen mythologischen Figuren in allen möglichen Religionen und Kulturen quer über den Globus und durch die Zeit… inklusive der Bibel.
Das göttliche/übernatürliche Wesen, das als Mensch verkleidet, die Menschen insgeheim auf ihren Charakter prüft und je nach Abschneiden beschenkt oder bestraft, ist ein extrem häufiger mythologischer Topos.
Genau so gut könnte man Zeus und Hermes als den „wahren“ Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht bezeichnen.
Oder die Engel, die in Sodom und Gomorrha nach guten Menschen suchten und am Ende nur Lot und seine Familie als würdig fanden, gerettet zu werden.
Oder den Bettler, mit dem Sankt Martin seinen Mantel teilte und der sich später als Christus herausstellte.
Alle Versuche, den Weihnachtsmann mit Odin gleichzusetzen, sind entweder völkisches Geschwurbel oder gehen auf solches zurück.
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Fazit:
Das Weihnachtsfest hat im Laufe der Jahrhunderte einiges an Veränderungen durchgemacht.
Bräuche haben sich verändert, wurden aufgegeben oder neu dazu erfunden.
Und ja, in der Frühzeit des Christentums wurden auch durchaus Bräuche von nichtchristlichen Kulten und Religionen übernommen (Ebenso wie andere Religionen übrigens Elemente des Christentums übernahmen).
Aber zum Einen sind diese tatsächlichen vorchristlichen Überbleibsel meistens nicht die Elemente des Weihnachtsfestes, bei denen es so oft behauptet wird, zum Anderen haben die wenigsten dieser Elemente die Reformation überlebt.
Und zu guter Letzt:
Nein, weder das Datum von Weihnachten, noch der Christbaum, die Weihnachtsgeschenke oder der Weihnachtsmann wurden von irgendwelchen Heiden „gestohlen“.
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Zum Weiterlesen:
Eine sehr detaillierte Arbeit darüber, wie genau Hippolyt das von ihm vertretene Geburtsdatum für Jesus berechnete:
www.researchgate.net/publication/283001744_Calculating_December_25_as_the_Birth_of_Jesus_in_Hippo...
Wie die heute bekannte Figur des Weihnachtsmannes entstand:
talesoftimesforgotten.com/2019/12/07/the-long-strange-fascinating-history-of-santa-claus/
Über die Entstehung des Weihnachtsbaumes:
talesoftimesforgotten.com/2018/12/05/the-origins-of-the-christmas-tree/
Über die angebliche Herkunft des Weihnachtsfestes aus den Saturnalien:
talesoftimesforgotten.com/2019/12/08/just-how-pagan-is-christmas-really/
Und natürlich, wie so oft, wenn ich über pseudohistorische Mythen das Christentum betreffend schreibe, ein hervorragender Artikel von Tim O’Neill zum Thema:
historyforatheists.com/2020/12/pagan-christmas/ ... mehr anzeigenweniger anzeigen
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Hehe Viel Erfolg und Spaß gelle 😎🤟👍
Liebe Real Music Lovers,
lasst Euch nicht täuschen von den vielen bunten Bildern in Medien und sozialen Netzwerken, die uns signalisieren, die Kultur sei wieder voll erblüht und es gäbe eine riesige Nachfrage nach Konzerten und anderen Events. Für die sommerlichen Open Air Veranstaltungen mag das teilweise stimmen. Aber die ganze Wahrheit sieht anders aus: die komplette Szene steuert möglicherweise auf die nächste Katastrophe zu. Alle Indoor-Spielstätten, von den Liveclubs bis zu den Theatern, Hallen und Kleinkunstbühnen im ganzen Land berichten mehr oder weniger offen, dass es für ihre Hauptsaison ab Herbst kaum relevante Kartenvorverkäufe gibt.
War die Freude seit April 2022 in der Live-Szene zunächst riesig, endlich wieder ohne Einschränkungen Konzerte und sonstige Events durchführen, besuchen und genießen zu können, zeigt sich von Woche zu Woche deutlicher, dass die mangelnde Nachfrage nach Tickets für die nächsten Monate zunehmend Entsetzen und erneut Existenzängste auslösen - bei Künstlern, Agenturen, Veranstaltern und allen involvierten Dienstleistern. Heutzutage sind Vorverkaufsergebnisse der Gradmesser für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg von Veranstaltungen und die Beteiligten können früh erkennen, ob ein Konzert, eine Veranstaltung oder eine Tournee den erwarteten Zuspruch finden wird. Bleiben Ticketverkäufe Woche für Woche auf niedrigem Niveau, ist eine defizitäre Veranstaltung zu erwarten, was sich aber nach der über zweijährigen, coronabedingten Durststrecke niemand mehr leisten kann.
Wer genau hinschaut wird feststellen, dass täglich überall im Land viele Einzelveranstaltungen und komplette Tourneen – ja sogar einzelne Festivals - für das Restjahr 2022 abgesagt werden, obwohl es zur Zeit keine schädlichen Veranstaltungsauflagen gibt. Es mehren sich die Stimmen, die nicht mehr wie üblich organisatorische Probleme oder Erkrankung als Absagegrund und Ausrede angeben, sondern offen und ehrlich kommunizieren, dass hauptsächlich wegen der Kaufzurückhaltung der Fans die Notbremse gezogen wird, um ein finanzielles Fiasko der Veranstaltungen zu vermeiden. Mutige Aussagen wenn man bedenkt, dass das Selbstwertgefühl von Künstler*ìnnen leiden muss, wenn ihre Kunst nicht gefragt zu sein scheint.
Fans und potentielle Veranstaltungsbesucher*innen hätten es selbst in der Hand, diesem verhängnisvollen Kreislauf zwischen mangelnder Nachfrage und Veranstaltungsabsagen gegenzusteuern. Würden sie Karten kaufen, käme es zu weniger Panikreaktionen und somit zu weniger gecancelten Events. Nur wer kann den Fans und potentiellen Besuchern ihre Zurückhaltung verdenken? Hatten sie doch nun über zwei Jahre erleben müssen, dass sie ihre bereits vor langer Zeit gekauften Karten immer noch nicht einlösen konnten, weil die Veranstaltungen zum x-ten Mal wegen Lockdowns und sonstigen Einschränkungen verschoben wurden. Oder sie hatten Aufwand und Probleme, wieder an ihr Geld für ganz abgesagte Events zu kommen, mussten sich mit Gutscheinregelungen herumschlagen und warten zum Teil heute noch auf Erstattungen.
Nicht nur für Kultur- und Veranstaltungsbranche waren diese beiden Pandemiejahre kaum planbar, auch Millionen von Veranstaltungsbesuchern haben die langandauernden Absagewellen erleiden müssen und waren als „User“ selbst von etlichen Enttäuschungen betroffen. Das Vertrauen der Kartenkäufer*innen ist verschwunden, für den Herbst und Winter bahnt sich ein neues, flächendeckendes Fiasko der Kultur an.
Gar nicht hilfreich, in unserem Zusammenhang sogar schädlich, ist die begleitende, unselige Debatte der Politik über das neue Infektionsschutzgesetz, das noch im August verabschiedet werden soll, um ab Anfang Oktober Gültigkeit zu haben. Noch ist nichts beschlossen aber viele verschiedene Positionen sind verkündet. In der Ampel streiten die Regierungsparteien über den richtigen Weg zwischen größtmöglicher Vorsicht und persönlichen Freiheitsrechten. Zwar soll es nicht mehr zu flächendeckenden Lockdowns kommen, aber das komplette Gruselkabinett kulturverhindernder Maßnahmen zwischen Masken- bzw. Testpflicht und möglichen Kapazitätsbeschränkungen soll den Ländern für den Fall der Fälle erneut zur Verfügung stehen. Heute berät übrigens das Bundeskabinett darüber. Wie das ausgehen kann, müssten wir alle mittlerweile wissen: Jedes Bundesland erfindet seine eigenen Regeln und wird sie wieder verdammt kurzfristig verkünden, bei welchen Grenzwerten auch immer. Deja Vu. Als hätte die Politik aus den letzten beiden Jahren nicht viel gelernt.
In Bayern wird es besonders spannend. Da das von der Staatregierung abgesegnete Oktoberfest am 3. Oktober endet, sind dort möglicherweise erst nach einer kleinen, politischen Schamfrist und somit wohl ab Mitte Oktober etwaige Einschränkungen zu erwarten, auch wenn ebenso zu erwarten ist, dass die bayerischen Regierungsparteien im Bund sich als Opposition verstehen und daher jede Einigung der Ampelkoalition kritisieren werden – egal wie sie ausfallen wird.
Anfang August wurden die ersten Gesetzesentwürfe und Standpunkte bekannt und die auf niedrigem Niveau stagnierenden Vorverkäufe brachen danach erst so richtig ein – überall und fächendeckend. Ein Bärendienst für die komplette Kulturszene, die mit hohen staatlichen Fördermitteln zwei Jahre gerettet werden musste, um sich nun entsetzt mitten im dritten Pandemiejahr zu befinden – nach wie vor ohne jegliche Planungssicherheit – allerdings mittlerweile auch ohne fortgeschriebenen Überbrückungshilfen der Politik, die seit Juni ausgelaufen sind.
Politisches Schönreden hilft da gar nichts. Schon gar nicht der Verweis auf einen erfolgreichen Kultursommer als Beleg des Wiederstarkens der Kultur. Die komplette Veranstaltungsbranche wartet derzeit auf die hohe Politik und fordert – bislang vergeblich – das Erkennen und Verstehen dieses zerstörerischen Teufelskreises aus Unsicherheit, mangelnder Nachfrage und Absagen. Die Verbände der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft finden laut eigenen Aussagen keine Ansprechpartner aus Regierungskreisen mehr, die sie auf die angespannte Situation hinweisen können und politische Notfallpläne, um der fatalen Entwicklung gegenzusteuern, existieren nicht. Der Blindflug der Kultur wird weiter gehen und das bestehende Disaster nur noch vergrößern.
Dabei ist die Szene personell ausgeblutet, weil eine hohe Anzahl an unsichtbaren aber immens wichtigen Frauen und Männern hinter den Bühnen, die Techniker, Backliner, Fahrer, Mercher, Bühnenbauer, Securities usw. mittlerweile aus ihrem Beruf ausgestiegen und in anderen Jobs gelandet sind. In der Mehrzahl bis März 2020 als erfolgreich Soloselbstständige unterwegs, mussten sie in den beiden letzten Jahren mit finanziell unzureichenden Hilfsangeboten seitens der Politik klar kommen und viele fühlten sich gezwungen, ihre Existenz in anderen Berufsfeldern zu sichern. Der personelle Aderlass erhöht wiederum die Nachfrage nach Fachpersonal und damit die Kosten für Veranstaltungen. Von der hohen Inflation und den steigenden Energiekosten sind wir ja mittlerweile alle betroffen, was die allgemeine Kaufzurückhaltung noch befeuert.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht nur die privatwirtschaftlich organisierte Kultur trifft. Aus der öffentlich subventionierten Theaterszene sind massenhaft Alarmrufe zu hören, die über drastische Auslastungseinbrüche in ihren Häusern berichten. Gemäß der vorherrschenden hohen Altersstruktur der Besucher sind hier die sogenannten Risikogruppen dominant (Ü60/Ü70 und älter), die offensichtlich aus persönlicher Vorsicht derzeit ihre Theater meiden, wie die Pest. Das Abosystem bricht vielerorts ein. Das alles kann nicht gut gehen.
Im Vergleich zu all den Nachrichten, die wir aus der Szene hören, geht es dem Colos-Saal noch verhältnismäßig gut – vielleicht auch wegen unseres fairen Reservierungssystems und seinen Vorteilen für unsere Besucher. Noch verkaufen wir auch Karten für die kommenden Monate, allerdings bei weitem nicht auf dem Niveau vorpandemischer Zeiten. Nur nützt uns das herzlich wenig, wenn wir unser Aschaffenburger Konzert innerhalb einer Tournee noch relativ gut verkaufen, aber das gleiche Konzert bei anderen Tourstationen in den anderen Städten schlecht läuft. Bei einer Tournee ist für die Beteiligten immer das finanzielle Gesamtergebnis im Auge zu behalten und wenn das in anderen Städten defizitär zu werden droht, müssen wir trotzdem damit rechnen, dass auch unser Konzert mit der gesamten Tour abgesagt wird.
Es ist uns hier sehr wichtig, auf die Zusammenhänge hinzuweisen, statt nur herum zu jammern und das eigene Los zu beklagen. Daher versuchen wir hier in diesen Zeilen auch eine Momentaufnahme der gesamten Live-Kulturszene zu beschreiben und gewisse Mechanismen zu erklären, die wir aus unseren diversen Netzwerken und zunehmend auch aus Presseberichten in Erfahrung bringen konnten.
Die tourneebedingten Absagen zwischen Ende August und Oktober im Colos-Saal-Programm sind nicht zu übersehen. Die Gründe: mal sind es die beschriebenen Vorverkaufsergebnissen unter aller Erwartungen, mal Long-Covid-Erscheinungen bei diversen Künstlern und zusätzlich noch der Brexit, der bei Tourneen britischer Künstler eine neue Kostenlawine auslöst. Bislang sind bei uns in diesem Zeitraum die Konzerte von Ian Paice, Ferocius Dog und Marc Broussard verschoben worden. Die Gigs und Tourneen von King`s X, Stan Webb, Y&T, Eric Gales sowie Tito & Tarantula wurden sogar ersatzlos abgesagt. Die angespannte Lage, so vermuten wir, wird in den kommenden Wochen allerdings noch weitere negative Überraschungen bringen, auf die wir kaum Einfluss haben. Absurderweise geschieht dies alles im Moment angesichts deutlich fallender Infektionszahlen.
Wie ist dieser Negativtrend zu stoppen? Das Publikum müsste trotz aller schlechten Erfahrungen wieder anfangen, Karten zu ordern und die Politik muss dringend die Kultur in ihre Zukunftszenarien mit eindenken und hoffentlich im Herbst schonen. Beides wird allerdings nur passieren, wenn Experten und Politik irgendwann mehrheitlich und guten Gewissens das Virus als allgemeines Lebensrisiko bewerten können und die Hospitalisierungsraten niedrig bleiben. Ansonsten droht der Kultur eine dritte und vierte Nullrunde in 2022 und 2023, somit großer, vielleicht irreparabler Schaden.
Ein letztes noch in eigener Sache: Trotz düsterer Aussichten bleibt das Colos-Saal-Team verhalten optimistisch und stemmt sich gegen sämtliche Negativtrends, indem wir es beispielsweise sogar wagen, unseren Personalstamm zu verstärken. Es bleibt uns zur Zunkunftssicherung nichts anderes übrig. Wir müssen neue Leute einstellen und anlernen, denn bei uns werden in den nächsten Jahren mehrere Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Gewöhnt Euch schon mal an drei neue Gesichter bei uns ab September. Darüber mehr im nächsten Newsletter.
Wir sehen uns (hoffentlich) auf den Konzerten. ... mehr anzeigenweniger anzeigen
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Trotz wechselhaft Wetter war alles gut besucht. ... mehr anzeigenweniger anzeigen
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Einzug auf Burg Reichenstein im Mühlviertel ... mehr anzeigenweniger anzeigen
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